„Wir pflegen solche Dinge einstimmig zu tun“ – mit diesen Worten erklärte vor mehr als 25 Jahren der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Dietrich Reichert den frischgebackenen Gemeinderäten der Weingartener Bürgerbewegung den damals schon seit Jahren bestehenden Konsens, die Anpassung von Gebühren, Hebesätzen und Steuern in gemeinsamer Verantwortung für die Kommune durchzuführen und keinen politischen Vorteil aus einer Ablehnung zusätzlicher Belastungen der Bürger und Wähler zu ziehen. In der Tat wäre es zumindest fragwürdig, sich zu Lasten der Gemeinde und der politischen Wettbewerber im Vorfeld von Wahlen zu profilieren und notwendige Steuererhöhungen alleine in der Hoffnung auf zusätzliche Wählerstimmen auszuschließen. Wie immer gibt es jedoch in der Politik nicht nur Weiß oder Schwarz, sondern auch eine Vielzahl an Schattierungen und Zwischentönen, und somit gestalten sich zum Jahresende 2021 die Dinge deutlich komplexer, als dies noch vor fast drei Dekaden der Fall war.
Tatsächlich erlebt unsere Gemeinde nach einem knappen Jahrzehnt ständig steigender Einnahmen einen äußerst schmerzhaften Kontakt mit den finanzpolitischen Realitäten. Nachdem bereits der Etat für das Jahr 2020 zunächst von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt wurde und erst im August des laufenden Jahres ein Nachtragshaushalt verabschiedet werden konnte hinterlässt nun auch die Coronasituation ihre Spuren in der Jahresrechnung unserer Gemeinde. Erwartete Einnahmen bleiben aus, der Aufwand erhöht sich, und nicht zuletzt schreitet die Realisierung begonnener Vorhaben deutlich langsamer als geplant voran. Zur Finanzierung schon lange projektierter Investitionsvorhaben werden Kredite benötigt, und auch diese engen die Spielräume in den Folgejahren trotz historisch niedriger Zinsen immer weiter ein. Die Veräußerung von Gemeindevermögen in Form von Neubauflächen schafft momentan Erleichterung und stellt gleichzeitig unsere Kommune vor eine Vielzahl weiterer Aufgaben bei der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen, der Modernisierung der Turmbergschule sowie dem generellen Ausbau der kommunalen Infrastruktur. Doch obwohl sich diese Spirale seit Jahren andeutet zieht die Gemeinde immer weitere Aufgaben an sich, statt Ballast abzuwerfen und sich auf das wirkliche Kerngeschäft zu konzentrieren. Dies schlägt sich mit unerbittlicher Deutlichkeit in der Entwicklung der Personalausgaben nieder: Lagen diese im Jahr 2019 noch bei 5,64 Mio. €, so sollen sie im kommenden Haushaltsjahr bereits 6,83 Mio. und im Jahr 2024 bereits stolze 7,25 Mio. € betragen – dies entspricht einer prognostizierten prozentualen Steigerung von fast dreißig (!) Prozent in gerade einmal fünf Jahren.
Mit Blick auf die sich abzeichnenden finanziellen Engpässe hat die FDP-Fraktion nicht nur in der Vergangenheit, sondern gerade auch im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen auf die Notwendigkeit einer Konsolidierung hingewiesen und ihre Bereitschaft zu Ausgabenkürzungen und Unterstützung eines verantwortungsvollen Sparkurses zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig sieht sie sich jedoch auch in der Pflicht, in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld steigende Belastungen möglichst gerecht und fair auf die Einwohner Weingartens zu verteilen. Außer Frage stehen daher die Zustimmung zur Anhebung der Abwassergebühren, obwohl sich diese auf Mehrkosten von 120 € bereits im kommenden Jahr und knapp 240 € im Jahr 2024 für einen Vierpersonenhaushalt beziffern wird. Auch die Einführung und Erhebung einer Zweitwohnungssteuer sowie der Einstieg in eine Parkraumbewirtschaftung im übernächsten Jahr werden von der FDP-Fraktion im Gemeinderat mit unterstützt. Angesichts eines kaum erkennbaren Sparwillens und einer weiter zu beobachtenden Ausweitung des kommunalen Aufgabenspektrums kann sie jedoch die von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer nicht verantworten. Bei einer für dieses Jahr prognostizierten Inflationsrate von annähernd fünf Prozent, im kommenden Jahr weiter steigenden Energiepreisen und Reallohneinbußen gerade bei den Beziehern niedrigerer Einkommen würde eine solche Anhebung gerade diejenigen gesellschaftlichen Schichten überproportional treffen, die die Gemeinde mit ihrer Initiative zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum eigentlich fördern und unterstützen möchte. Gerade einmal 270.00 € an Mehreinnahmen soll die Erhöhung der Hebesätze pro Jahr generieren – diese Summe ließe sich mit einer Beschränkung auf das Wesentliche und mit einem verstärkten Blick auf die Gebühren für kommunale Leistungen mit Leichtigkeit einsparen.
Text: Matthias Görner