Am 24. August 2020 wurde der Nachtragshaushalt der Gemeinde Weingarten (Baden) für das Jahr 2020 in der Walzbachhalle verabschiedet. Gemeinderätin Carolin Holzmüller gab für die Fraktion folgende Stellungnahme ab:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bänziger, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats und der Verwaltung, sehr geehrte Damen und Herren,
bei der Verabschiedung des Haushaltsplans im März dieses Jahrs hatten wir bereits Zweifel, ob dieser Plan in Zeiten der Corona-Krise Bestand haben wird. Es scheint wie Ironie, dass wir uns fünf Monate später erneut mit den Gemeindefinanzen befassen. Allerdings ist Corona nicht der einzige Grund für den Nachtragshaushalt. Mit etwas mehr Sorgfalt wäre uns und der Verwaltung viel Arbeit und Sitzungszeit erspart geblieben. Viele unserer Positionen, die wir in der Haushaltsrede im März dargelegt haben, haben sich nicht geändert. Weswegen wir um Verständnis bitten, dass wir auf diese verweisen und nur zu einzelnen Punkten des Nachtragshaushaltes Stellung nehmen.
Infrastruktur und Bauen
Die zahlreichen Investitionen in unsere Straßen, Leitungen und Gebäude bleiben bestehen. Seit Jahrzehnten mahnt unsere Fraktion an, dass die zu veräußernden Grundstücke und somit die außerordentlichen Erträge endlich sind. Durch den erforderlichen Nachtragshaushalt sollte jedem nun mehr als klar sein, dass es immer schwieriger werden wird die Finanzierung der Investitionen bei gleichzeitiger finanzieller Leistungsfähigkeit der Gemeinde darzustellen.
Durch das angestoßene Mobilitätskonzept muss es einige grundlegende Änderungen geben. Gerade im Bereich ruhender Verkehr werden sich einige von liebgewonnen Gewohnheiten verabschieden müssen. Dort zu parken, wo es beliebt und bequem ist, führt zu Gefahrenstellen und behindert Begegnungsverkehr und Rettungskräfte. Wenn private Stellplätze nicht freiwillig angefahren werden, werden wir um eine Markierung und Bewirtschaftung des Parkraums im gesamten Ort nicht herumkommen. Da den Nutzern des ÖPNV 1,5 km Fußweg zugemutet werden, wird auch zu klären sein, welcher Fußweg für PKW-Fahrer zumutbar ist.
Des Weiteren hat das Thema „Windkraft in Weingarten“ hohe Wellen geschlagen. Auch wenn das Thema für viele Menschen emotional ist, müssen wir es wieder zu einer sachlichen Diskussion bringen. Das Baurecht für Windenergieanlagen wurde durch die Fortschreibung des Kapitels „Erneuerbare Energien“ des Regionalplans im Jahr 2017 geschaffen. Seit Jahren setzt sich unsere Fraktion für weniger Flächenverbrauch ein, sei es beispielsweise bei der Erweiterung des Baggersees oder dem Lärmschutzwall. Bundesweit werden täglich 56 ha für Gebäude und Verkehr zugebaut, was noch weit entfernt von den gewünschten 30 ha der Bundesregierung sind. Doch genauso wie bei der Erdölförderung müssen wir am Verhandlungstisch bleiben, um das Heft in der Hand zu halten.
Kinderbetreuung und Schule
An den Standortentscheidungen im Bereich Schule und Kinderbetreuungseinrichtungen wurde nicht gerüttelt. Wir wünschen uns weiterhin eine Erweiterung der Schule mit Einbeziehung des evangelischen Gemeindezentrums. Hierbei ermahnen wir abermals zu prüfen, inwieweit das hohe Maß an Qualität und Ausstattung angesichts der Finanzlage der Gemeinde haltbar ist.
Die vergangenen Monate haben uns das Spannungsfeld zwischen Gemeinde, Trägern, Eltern, Kindern und pädagogischen Fachkräften stark verdeutlicht. Während anfangs noch für systemrelevante Berufe applaudiert wurde, wird mittlerweile wieder darum gefeilscht, wie viel für die Kinderbetreuung ausgegeben werden soll. Gemeindeverwaltung, Träger sowie Erzieherinnen und Erzieher haben im Rahmen der wechselnden Auflagen und Verordnungen immer nach einer guten Lösung für alle Beteiligten gesucht. Wir wünschen uns für die kommenden Jahre eine offene und gute Zusammenarbeit mit gegenseitiger Wertschätzung aller Beteiligten.
Politik mit Herz und Verstand
Als die Corona-Krise im März ihren Anfang nahm, gab es ungeachtet dessen unter den Haushaltssprechern der Fraktionen einen Konsens den Willen zu Sparen gemeinsam umzusetzen und sich durch einzelne Bürgeranfragen davon nicht gleich abbringen zu lassen. Fünf Monate später zeigen sich leider schon erste Ausfallerscheinungen. Da sorgt bei manchen Gemeinderäten manchmal eine einzige E-Mail dafür, dass wohlüberlegte Entscheidungen infrage gestellt und gemeinsame Prinzipien über Bord geworfen werden.
So kann ich nur abermals wiederholen: Jeder Mensch muss immer wieder entscheiden, ob der Nutzen dem finanziellen Aufwand entspricht. Das muss auch die Gemeinde bzw. der Gemeinderat bei kommunalen Aufgaben tun. Wir wollen im Zusammenhang mit den kommunalen Gebühren und Nutzungsentgelten offen die Frage diskutieren, wie viel sind kommunale Einrichtungen und Dienstleistungen der Gemeinde, dem Gemeinderat und den Bürgerinnen und Bürgern wert. So sollte das Fehlverhalten Einzelner auch nicht zu Ausgaben im fünfstelligen Bereich führen, wie es zuletzt aufgrund der Abwasserproblematik im Buchenweg der Fall war.
Wir bewegen uns in den Bereichen Leistung, Personalsituation und Finanzen an der Grenze des Machbaren. Diesen Balanceakt werden wir zusammen nur meistern, wenn uns keiner unüberlegt ins Wanken bringt. Kommunalpolitik ist kein Wunschkonzert und sollte zum Wohle aller bzw. vieler, aber nicht Einzelner dienen. Dafür bedarf es eines dicken Fells und eines Rückgrats.
In diesem Zusammenhang möchten wir der Verwaltung danken, dass für den Nachtragshaushalt die Nachbesetzung der Stellen überdacht wurde, was aus unserer Fraktion noch vor der Verabschiedung des Haushalts angeregt wurde, und dadurch jährlich 200.000 Euro Personalkosten eingespart werden konnten.
Vielen Dank
Zum Schluss bedanken wir uns auch angesichts der aktuellen Corona-Situation bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde Weingarten und denjenigen, die täglich bei ihrer Arbeit engagierten Einsatz für die Weingartner Bürgerinnen und Bürger zeigen. Des Weiteren bedanken wir uns bei allen ehrenamtlich engagierten Menschen, die sich für das Gemeinwohl in unserer Gemeinde einbringen. Bei unseren Gemeinderatskolleginnen und -kollegen sowie Bürgermeister Bänziger bedanken wir uns für die bisherige und zukünftige gute Zusammenarbeit.
Die FDP-Fraktion stimmt dem Nachtragshaushalt 2020 der Gemeinde Weingarten sowie den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu.
Halten Sie sich an die veröffentlichten Corona-Verordnungen.
Bleiben Sie gesund!„
Unsere Stellungnahme zum Haushalt finden Sie hier zum Download: