„Deutsche Sprache – schwere Sprache“ – stimmt das wirklich? Wie immer geben wir instinktiv diese seit Jahrzehnten geläufige Formel als Suchbegriff in den Rechner ein, und tatsächlich erfolgt die Bestätigung innerhalb von Sekundenbruchteilen: Zusammen mit Finnisch, Chinesisch und Japanisch gilt Deutsch als eine von Ausländern sehr schwierig zu erlernende Sprache. Dies liegt nicht alleine an einer recht verzwickten Grammatik, der Möglichkeit, aus Substantiven durch einfaches Aneinanderfügen neue Hauptwörter zu bilden und an einem fast unüberschaubaren Wortschatz, sondern auch an einer anspruchsvollen Lautbildung. Es bedarf einiger Übung, um durchaus gängige Begriffe wie „Eichhörnchen“ oder „Frischhaltefolie“ nicht nur fehler- sondern auch akzentfrei auszusprechen, und die gute Nachricht des Tages lautet daher: „Wir alle haben es geschafft, also willkommen im Club“.
Darüber hinaus ist Sprache – das haben wir uns ja spätestens in der Gemeinderatssitzung vom 27. März dieses Jahres ausführlich erklären lassen – nichts Starres, sondern etwas Dynamisches, und es hat den Anschein, als sei es unser gemeinsames Bestreben, eine ohnehin schon schwierige Angelegenheit noch weiter zu verkomplizieren. Vielleicht findet sich aus genau diesem Grund auf vielen Behördenseiten die Schaltfläche „Einfache Sprache“, um einen meist undurchdringlichen Vorschriftendschungel in bestes Kindergartendeutsch zu übersetzen.
Leider gibt es diese kleine Hilfestellung nicht für die von der Verwaltung erstellten Beschlussvorlagen. Diese oft Dutzende von Seiten umfassenden Entscheidungsgrundlagen beschreiben generell komplexe Sachverhalte und erfordern daher ohnehin schon einiges an Konzentration bei der Vorbereitung von Gemeinderatssitzungen. Zusätzlich dazu schleichen sich auf sanften Pfoten seit einigen Monaten „geschlechtergerechte“ Wortneubildungen in die Vorlagen ein. Nach Aussage der Verwaltung dienen sie dazu, „Frauen und Männer symmetrisch präsent zu machen“, doch nicht alle Gemeinderäte sind der Ansicht, dass mit diesem Zugewinn an Symmetrie bessere Verständlichkeit der Texte und leichtere Lesbarkeit einhergehen.
Aus Sicht einer Mehrheit der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion wäre es schon aus Gründen der gegenseitigen Rücksichtnahme von Seiten der Verwaltung geboten, in einem komplexer werdenden Umfeld den Mitgliedern des Gemeinderats möglichst einfach verständliche Vorlagen zu erarbeiten und zu präsentieren und die kommunale Entscheidungsfindung nicht zum Schauplatz einer Geschlechterdebatte umzufunktionieren. Nachdem auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Jahresbeginn deutlich Stellung gegen die Verwendung der Gendersprache an Schulen bezogen hatte wandten sich die beiden Fraktionen in einem gemeinsam formulierten Antrag an die Verwaltung mit der Bitte, in den Gemeinderatsvorlagen und im amtlichen Teil der Turmberg-Rundschau weiterhin die bisher gültigen Regeln der deutschen Sprache anzuwenden. Leider war die Sichtweise der Verwaltung und damit wohl auch einer Gemeinderatsmehrheit eine andere, und somit werden sich auch die Leser des Weingartener Amtsblatts nach und nach an sperrige Begriffe wie „Mitarbeitende“, „Studierende“, „Erziehende“ oder „Radfahrende“ gewöhnen müssen. Ja es stimmt, Sprache ist nichts Statisches und ständig in Bewegung. Gleichzeitig zeigt die Geschichte aber auch, dass es meistens gehörig schief ging, wenn Sprache von oben herab diktiert und verändert wurde, und nicht zuletzt sollten wir uns gemeinsam mit der Frage auseinandersetzen, warum viele Studierende eine Packung Studentenfutter mit sich führen, warum ein Bürgermeister mit seinen Mitarbeitenden mitunter ein Mitarbeitergespräch führen muss, ob ein Erziehender, der nach einem anstrengenden Arbeitstag sein Feierabendbier genießt, überhaupt noch ein solcher ist und ob nicht, um es kurz zu fassen, auf dem Altar einer vermeintlichen Geschlechtergerechtigkeit sprachliche Logik, Eleganz, Ästhetik und Verständlichkeit leichtfertig geopfert werden.
Lesen Sie hier den Originaltext des interfraktionellen Antrags:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bänziger,
die Folgen einer permanent zunehmenden Vorschriftendichte und einer Erweiterung des kommunalen Aufgabenspektrums sind immer stärker im Alltag ehrenamtlich tätiger Gemeinderäte zu spüren. Es ist nicht nur ein Anwachsen der für die Vorbereitung einer Sitzung bereitgestellten Unterlagen zu verzeichnen, sondern auch eine deutlich wahrnehmbare Steigerung der Komplexität der vorgestellten Sachverhalte. Seit einigen Monaten werden Verständnis und Lesbarkeit der ohnehin schon anspruchsvollen Sitzungsunterlagen noch durch den schleichenden Einzug der Gendersprache in den Vorlagen weiter signifikant erschwert, ohne dass für die Unterzeichner irgendein Mehrwert zu erkennen wäre. Nachdem sich zu Jahresbeginn Herr Ministerpräsident Kretschmann in deutlichen Worten gegen die Einführung der Gendersprache an Schulen gewandt hat und sowohl Polizei als auch Justiz in Baden-Württemberg an der bisher bewährten Sprache und Schreibweise festhalten bitten Sie die Unterzeichner, in der nächsten öffentlichen Sitzung dem Gemeinderat folgenden interfraktionellen Antrag zur Beratung und zur Beschlussfassung vorzulegen:
Der Gemeinderat möge die Verwaltung beauftragen, mit sofortiger Wirkung die für die Vorbereitung einer Sitzung erforderlichen Beratungsunterlagen in der bislang üblichen Art und Weise unter Verzicht auf die im Zusammenhang mit der Einführung der Gendersprache vorgeschlagenen Zeichensetzungen und Wortneuschöpfungen bereitzustellen. Die gleichen Regeln sollen auch im amtlichen Teil der Turmberg-Rundschau Anwendung finden.