Diesmal mit dem Landtagsabgeordneten Dr. Christian Jung
Redaktion: Herr Dr. Jung, Sie sind nach Ihrer Wahl in den Stuttgarter Landtag im vergangenen März verkehrspolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag des Grünen-Haushaltspolitikers Sven-Christian Kindler, eine Million Lastenräder mit jeweils 1000 € aus dem Bundeshaushalt zu fördern? Können Sie diesen Vorstoß mittragen?
Dr. Christian Jung: Nun, auch wenn die FDP sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen unterstützt, so muss ich doch gewisse Vorbehalte gegen diesen Vorschlag äußern. Ein wenig kommt es mir vor, als ob die Grünen nun fünf Wochen vor der Bundestagswahl ihre Felle davonschwimmen sehen und mit einem Umverteilungsprogramm zu Gunsten ihrer saturierten urbanen Klientel auf Stimmenfang gehen. Generell sind die zu bewältigenden Entfernungen im ländlichen Raum weit größer als in unseren Verdichtungsräumen. Das Lastenfahrrad mag geeignet sein, um die Kinder zur Kita zu bringen oder im städtischen Umfeld etwas größere Einkäufe für das Wochenende zu tätigen. Sowohl von der Reichweite als auch von der Nutzlast her sind jedoch andere Verkehrsträger in der Fläche eindeutig überlegen.
Redaktion: An welches Transportmittel denken Sie besonders in diesem Kontext?
Dr. Christian Jung: An das Maultier.
Redaktion: Können Sie dies etwas näher erläutern?
Dr. Christian Jung: Selbstverständlich gerne. Auch wenn der Bestand an Maultieren in den vergangenen Jahrzehnten hier in Baden-Württemberg signifikant abgenommen hat, so sagt die FDP-Fraktion dem Muli gerade im Zusammenhang mit der Verkehrswende eine große Zukunft voraus und setzt sich daher für eine kurzfristige Aufnahme einer Maultieroffensive in das Bundestagswahlprogramm der FDP ein. Wir fordern die Bezuschussung von fünf Millionen Maultieren mit jeweils eintausend Euro zur Förderung einer klimagerechten Mobilität!
Redaktion: Was genau sind die Vorzüge des Maultiers gegenüber dem Lastenfahrrad?
Dr. Christian Jung: Es würde den Rahmen dieses Interviews sprengen, sämtliche Pluspunkte der seit Jahrhunderten bewährten Nutztiere hier aufzuzählen. Ich muss mich daher auf die wesentlichen Kriterien beschränken. Eines davon ist die besondere Leistungsfähigkeit der Kreuzung aus Pferdestute und Eselhengst. Ausgewachsene Mulis können eine Last von 150 Kilogramm an einem Tag rund 30 bis 40 Kilometer weit befördern. Gleichzeitig brauchen sie keine Ladeinfrastruktur und sie erholen sich schneller als Pferde von körperlicher Belastung. Zu erwähnen wäre außerdem die besondere Langlebigkeit der Tiere, Maultiere können ein Alter von 45 bis sogar 50 Jahren erreichen und sind nach ihrem Tod zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Somit fallen sowohl Reichweite, Nutzlast und nicht zuletzt auch Ökobilanz eindeutig zu Gunsten der Huftiere aus.
Redaktion: Gibt es weitere Vorteile?
Dr. Christian Jung: Im Gegensatz zum Pferd gestaltet sich der Umgang mit Maultieren wesentlich unkomplizierter. Sie sind gelehrig und robust. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem eingangs erwähnten Lastenfahrrad liegt in dem breiten Einsatzspektrum der Tiere. Während sich dessen Nutzen auf den Transport mittelschwerer Güter über kurze Entfernungen beschränkt sind Maultiere vielfältig verwendbar. Sie können über ihren Einsatz als Lastenträger hinaus als Gespann schwere Wagen ziehen, bewältigen extreme Steigungen und sind gleichzeitig in der Landwirtschaft unersetzliche und ausdauernde Helfer. Auch ihre Trittsicherheit ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Maultiere brauchen keine befestigten Wege. Somit könnten die Mittel für den Ausbau und Erhalt unseres Straßennetzes umgeschichtet beziehungsweise für die Schaffung eines neuen Klima-Superministeriums mit Vetorecht verwendet werden. Außerdem können Maultiere schwimmen!
Redaktion: Wieso ist das ein Vorteil?
Dr. Christian Jung: Sicher haben Sie in den vergangenen Wochen ebenfalls gelesen, dass in Deutschland mehr als dreitausend Brücken marode beziehungsweise dringend sanierungsbedürftig sind. Der Einsatz von Maultieren schafft hier eine gewisse Krisensicherheit. Sollte es zu einem kurzfristigen Versagen eines Bauwerks kommen, so ist zumindest der Personentransport über unsere Flüsse und Kanäle zum Teil noch gewährleistet. Abschließend sei außerdem die besondere Wehrhaftigkeit der Mulis erwähnt. Sie sind in der Lage, mit ihren starken Hufen angreifende Wölfe nicht nur zu vertreiben, sondern sogar zu töten. Auch dieser Aspekt könnte zukünftig eine Rolle spielen.
Redaktion: Das klingt plausibel. Steht die FDP mit ihrer Maultieroffensive alleine da oder gibt es Unterstützung von anderen Fraktionen?
Dr. Christian Jung: Die SPD hat bereits Zustimmung signalisiert.
Redaktion: Warum gerade die SPD?
Dr. Christian Jung: Die ehemalige Vorsitzende der Sozialdemokraten Andrea Nahles hat ja im Oktober 2018 den „Arbeitskreis Pferd im Deutschen Bundestag“ gegründet. Zwar ist Frau Nahles nicht mehr Vorsitzende der SPD und hat auch ihr Mandat als Abgeordnete niedergelegt, dennoch ist ihr Engagement für die gleich nach dem Hund treuesten Begleiter der Menschen nach wie vor ungebrochen. Ihr besonderes Anliegen ist der Einsatz gegen Diskriminierung von Maultieren und Mauleseln gegenüber Pferden sowie generell gegen Rassismus in der Pferdezucht. Auf lange Sicht sollen alle Pferde gleich werden. Mit Frau Nahles sind wir daher in engem Kontakt.
Redaktion: Herr Dr. Jung, haben Sie vielen Dank für ihre Ausführungen, wir wünschen Ihrem Projekt den Erfolg, den es verdient.