Liberales Sommerinterview mit Bundestagskandidat Hans-Günther Lohr

Matthias Görner: Lieber Hans-Günther, Du bist seit 1998 Geschäftsführer der Firma Betten Ritter in Karlsruhe. Kommst Du in der jetzt beginnenden Wahlkampagne überhaupt noch zum Schlafen?

Hans-Günther Lohr: In der Tat sind für mich als Quasi-Quereinsteiger die vergangenen Tage und Wochen eine sehr intensive Erfahrung. Ich hatte mir eine solche Kandidatur niemals als Selbstläufer vorgestellt und zeitliche Reserven vorgehalten, aber man stößt definitiv gelegentlich an seine persönlichen und zeitlichen Grenzen. Zum Glück ist ein Bundestagswahlkampf keine Einzelaufgabe und ich fühle mich durch meine Familie, den Ortsverband Weingarten, mein Team und insbesondere Christian Jung, der den Wahlkampf auch managt und begleitet, bestens unterstützt.

Matthias Görner: Und wie läuft es bisher, wie sind Deine Erfahrungen?

Hans-Günther Lohr: Die bisherigen Reaktionen übertreffen meine persönlichen Erwartungen bei Weitem. Gerade bei den individuellen Begegnungen ist der Zuspruch enorm, besonders auch bei jüngeren Menschen. Es scheint sich tatsächlich zu bestätigen, dass nach einer aktuellen Meinungsumfrage die FDP nach den Grünen in der Beliebtheit bei der Jugend an zweiter Stelle steht. Aber auch viele bisher konservative Wähler kommen auf mich zu und versichern mir, dass ihre Wahlentscheidung für die FDP bereits feststeht.

Matthias Görner: Kehren wir zurück zu Deinem beruflichen Werdegang. Du bist in einer Umgebung von Bettfedern, Tischwäsche und Pyjamas aufgewachsen. Ich erinnere mich noch gut an das Schaufenster in der Weingartener Bahnhofstraße. Irgendwann stand dieses dann leer, und es hieß: “Der Lohr geht nach Durlach“.

Hans-Günther Lohr: Der Einstieg in die elterliche Firma war für mich schon immer mein absoluter Wunsch. Ich habe daher nach meinem Abitur in Stutensee und dem Grundwehrdienst zunächst Betriebswirtschaftslehre studiert und das Vordiplom abgeschlossen. Meinen Abschluss als Betriebstextilwirt habe ich aber danach an der Betriebstextilschule in Nagold gemacht und dann tatsächlich 1998 den „Betten-Ritter“ als Geschäftsführer übernommen. Mit meiner Frau habe ich zunächst in Karlsruhe gewohnt und wir sind 2012 nach Weingarten in meine alte Heimat gezogen, um dort mit unseren beiden Kindern (Zwillinge) zu leben. Mit meinem beruflichen Werdegang bin ich insgesamt sehr zufrieden, ich kann zwar auf kein Studium im Völkerrecht zurückblicken und habe auch noch keine Kinderbücher geschrieben, aber dafür will ich ja auch nicht gleich Bundeskanzler werden.

Matthias Görner: Und seit wann bist Du an politischen Fragen interessiert?

Hans-Günther Lohr: Möglicherweise hat zu meinem politischen Interesse schon früh der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Weingartener CDU Hans-Dietrich Reichert als mein „Patenonkel“ beigetragen. Für die FDP habe ich mich im Jahre 2016 entschieden, und ich bin seit September 2020 Vorsitzender des Ortsverbands Weingarten. Geprägt haben mich Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl und die deutsche Wiedervereinigung.

Sowohl historische als auch europapolitische Fragen haben mich schon immer sehr interessiert. Mein Vater glaubte immer an die Wiedervereinigung, dachte jedoch nicht, dass er Sie noch erleben wird – dann kam doch alles viel schneller.

Matthias Görner: Kommen wir nach dieser Rückschau ein wenig zu der Substanz. Welche politischen Inhalte haben Dich zu Deinem jetzigen Einsatz für die FDP motiviert?

Hans-Günther Lohr: Ich habe die Soziale Marktwirtschaft und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung im politischen Unterricht in der Schule und im Grundwehrdienst als das tragende Fundament von Gesellschaft und Wirtschaft kennengelernt und sehe diese beiden Elemente immer mehr in Gefahr. Es stirbt täglich ein Stück Freiheit, und dies nicht erst seit Beginn der Coronakrise. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass sich Kreativität, Innovation, Leistungsbereitschaft und ein gewisser Mut zum Risiko nur in einer freiheitlichen Umgebung entfalten können. Bei einer Staatsquote von über fünfzig Prozent sind wir definitiv jetzt schon überreglementiert, und ein Ende der dirigistischen Bestrebungen ist bei Weitem nicht abzusehen. Ich bin dafür, junge Menschen in einem optimalen Bildungsumfeld zu fördern und auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten und betone gleichzeitig, dass die Liberalen unter dem Begriff „Freiheit“ nicht verstehen, dass ein jeder tun und lassen soll, was ihm gefällt. Für die FDP ist die Verantwortung eng mit der Freiheit verwoben. Aufgabe der Politik ist es daher, einen sorgfältig konstruierten Rahmen zu errichten, in dem sich dann die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte möglichst frei zu ihrem gegenseitigen Wohl entfalten können. Wir brauchen keinen Nanny-State, der die Menschen ein Leben lang betreut und bevormundet und ihnen noch die Dicke und den Durchmesser der Wurstscheiben auf ihrem glutenfreien Körnerbrot vorschreibt.

Matthias Görner: Seit Beginn meiner Mitgliedschaft im vergangenen Herbst habe ich viele positive Erfahrungen gemacht, gleichzeitig aber auch festgestellt, dass der FDP nach wie vor ein Imageproblem anhaftet. Den Bruch der sozialliberalen Koalition im Jahr 1982 haben heute noch viele Wähler nicht vergessen, und das in der Vergangenheit gezeichnete Bild der FDP als der „Partei der Besserverdienenden“ trägt nicht zu ihrer Anziehungskraft bei. Wie ist hierzu Deine Sichtweise?

Hans-Günther Lohr: In sehr vielen Gesprächen mit den heute Über-Sechzigjährigen höre ich heraus, dass die Achtzigerjahre die besten Zeiten ihres Lebens waren. Dies stimmt auch mit meinen Erfahrungen als etwas Jüngerer überein, ist also sicher keine reine Nostalgie. Natürlich gehört Verlässlichkeit zur Politik dazu. Wähler dürfen nicht getäuscht werden. Gleichzeitig sind wir heute in der Rückschau dazu in der Lage, die verschiedensten Regierungskonstellationen der vergangenen Jahrzehnte sachlich und neutral zu bewerten. Dabei kann sich die Koalition von CDU und FDP unter den Vorsitzenden Kohl und Genscher durchaus sehen lassen, und wenn man sich anschaut, welche Kombinationen auf Landesebene mehr oder weniger erfolgreich arbeiten, dann kommt man fast zu dem Schluss: Alles ist möglich. Was das Attribut „Partei der Besserverdienenden“ angeht, so brauchen heute nur ein Facharbeiter oder eine junge Akademikerin ihren Steuerbescheid aufmerksam zu lesen, um zu erkennen, dass sie in der kalten Progression feststecken und dass sich in Zukunft die Schlinge noch enger ziehen wird. Zusammen mit Belgien hat Deutschland europaweit die höchsten Steuersätze. Die FDP schließt als einzige Partei in ihrem Wahlprogramm Steuererhöhungen als einen weiteren Schritt in die Unfreiheit kategorisch aus.

Matthias Görner: Die vergangenen anderthalb Jahre haben unseren Alltag und viele Lebensperspektiven regelrecht erschüttert und teilweise zerrüttet. Was können wir tun, um aus dieser Krise heraus und wieder auf die Beine zu kommen?

Hans-Günther Lohr: Mich stimmt vor allem nachdenklich, wie unendlich viel Vertrauen die Politik in den zurückliegenden Monaten verspielt hat. Natürlich liegen für den Umgang mit einer Störung in diesem Ausmaß keine Patentrezepte in der Schublade, doch ist die Summe der Widersprüchlichkeiten mittlerweile einfach zu groß. Auch die Verstrickungen der Politik in dubiose Geschäfte finde ich menschenverachtend und zynisch. Am meisten betroffen macht mich jedoch, wie sich Bürger und Regierung immer weiter voneinander entfernen und der Politikstil zunehmend hierarchisch geprägt erscheint. Unser Kreisvorsitzender Heiko Zahn hat schon im Februar festgestellt: Mehltau legt sich über die Demokratie. In Artikel 20 unseres Grundgesetzes ist festgeschrieben, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Gleichzeitig wird der politische Willensbildungsprozess durch eine Fülle teils unsinniger Verordnungen gerade auf örtlicher Ebene aufs Empfindlichste gestört. In dieser Situation sollte sich die Politik wieder auf Augenhöhe mit dem Bürger begeben, sich auf das reine Krisenmanagement beschränken und nicht unter der Tarnkappe der Coronakrise Gesetze mit weitreichender gesellschaftlicher Wirkung auf den Weg bringen. Besonders wichtig ist mir, dass wir beim Umgang mit der Coronasituation nicht unsere Kinder und Jugendlichen aus den Augen verlieren. Ich sehe nach über 18 Monaten Ausnahmezustand mit großer Sorge eine regelrecht traumatisierte und teilweise neurotisierte Generation heranwachsen, deren Schicksal mich gelegentlich an das der „Kriegskinder“ erinnert.

Matthias Görner: Was wären die wichtigsten Ziele im Falle Deiner Wahl als Direktkandidat?

Hans-Günther Lohr: Das Stichwort ist schon gefallen. Ich würde mich in erster Linie als unmittelbarer Ansprechpartner für die Belange der Wählerinnen und Wähler in unserem Wahlkreis einsetzen. Politik hat für mich auch einen regionalen Charakter, und daher stimmt mich die Aushöhlung unserer verfassungsmäßig festgeschriebenen kommunalen Selbstverwaltung sehr nachdenklich. Mittlerweile schreibt man uns in Berlin sogar die Ausgestaltung unseres örtlichen Fahrzeugparks vor. Wir brauchen wieder eine an der Lebenswirklichkeit orientierte Politik. Wenn ich zum Beispiel die Forderung der Linkspartei nach einer Halbierung der Arbeitszeit bei Temperaturen von über dreißig Grad höre, dann frage ich mich, was ein Dachdeckermeister zu so einem Vorschlag meint. Vielleicht soll auch nach den Vorstellungen solcher Leute die Landwirtschaft zukünftig die Getreideernte in den November verlegen, ich weiß es nicht. Oberste Prämisse für mich wäre daher, nach dem Subsidiaritätsprinzip sämtliche Verantwortung auf einer möglichst niedrigen Ebene zu belassen und somit die Entscheidungsfreiheit vor Ort zu stärken. Ich glaube durchaus, dass es auch in Niederbayern oder auf der Schwäbischen Alb und nicht nur in Berlin kluge Menschen gibt. Jede anstehende Entscheidung würde ich daher daraufhin überprüfen, ob sie diesen ihre Freiheit nimmt oder belässt. Darüber hinaus halte ich eine stärkere Positionierung der FDP für ökologische Themen für sinnvoll, dass die Freien Demokraten schon sehr viel für die Umwelt tun. Insbesondere der nach wie vor ungezügelte Flächenverbrauch und die Zersiedelung unserer Restlandschaften sind für mich nicht länger zu verantworten. Es muss intelligente Lösungen geben, dass die Wirtschaft und der private Wohnungs- und Häuserbau sich weiter entwickeln kann, jedoch kann es in dieser Weise nicht unendlich weitergehen. Ein großes Anliegen ist für mich die Stärkung des breiten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mittelstandes, dieser verdient mehr Beachtung und steuerliche Entlastung und Förderung. Es ist eine Tatsache, dass dieser Mittelstand das Rückgrat der Gesellschaft und somit unseres Wohlstands bildet. Unsere zu hohe Steuer- und Abgabenlast steht hier im Mittelpunkt. Ebenso stelle ich fest, dass wir als Land und Bund oft die falschen Firmen fördern, meist sind es die Großen statt die vielen zukunftsweisenden kleineren Firmen mit großem Entwicklungspotenzial in der Zukunft. Diese Firmen sind durchaus sehr zahlreich in unserer Region vertreten.

Matthias Görner: Gibt es ein Schlusswort?

Hans-Günther Lohr: Natürlich bitte ich nun alle Leserinnen und Leser dieses Gesprächs um ihr Vertrauen bei der Bundestagswahl am 26. September. Unabhängig vom Wahlausgang bedaure ich keineswegs meine Entscheidung zu einer Kandidatur und bin froh um die Fülle an Erfahrungen und Eindrücken, die ich in diesen Wochen gewonnen habe und sicher noch machen werde. Gleichzeitig hoffe ich natürlich, dass unsere Wahlkampagne vielen Wählerinnen und Wählern in Weingarten die FDP ein Stück näherbringt. Unser Ortsverband blickt auf eine über sechzigjährige Geschichte zurück, ist personell gut aufgestellt und möchte bei der zukünftigen Ausgestaltung unseres direkten Lebensumfeld entschlossen mitarbeiten.

Ganz herzlich lade ich daher abschließend auch alle Freunde und Unterstützer der FDP zu unserer nachträglichen Jubiläumsfeier am Sonntag, den 12. September ein.

Nähere Informationen sind der Tagespresse zu entnehmen, wir freuen uns über Ihr Kommen.               

 

„Fotoarchiv: Anian W. Steinert“.

„Ein Zeitdokument – das Bettenhaus Lohr in der Bahnhofstraße. Das Foto entstand während des letzten Hochwassers vor dem Bau des Rückhaltebeckens am 31. Mai 1969.“

Nähere aktuelle Infos zum Wahlkampf 2021 unter: www.LOHR2021.de