Der zweite Teil unserer Beitragsserie zum Thema „Inflation“ behandelt die gegenwärtigen Entwicklungen aus unternehmerischer Sicht. Hierzu hat sich dankenswerterweise André Martin, obwohl nicht FDP-Mitglied, zu einem Interview bereitgefunden. André Martin ist zusammen mit seiner Schwester Ines Weller Geschäftsführer der Firma Alltech Dosieranlagen GmbH und dort insbesondere für die technischen Aspekte und den Produktionsablauf verantwortlich.

INTERVIEW MIT ANDRE MARTIN

 M.G.: André, im Frühjahr 2021 haben wir im Zusammenhang mit der Blockade des Suez-Kanals über Störungen in den globalen Lieferketten und steigende Rohstoffpreise gesprochen. Es hieß damals, die Schwierigkeiten seien nur von kurzer Dauer. Wie hat sich aus Deiner Sicht die Situation seither entwickelt?

André Martin: Tatsächlich wurde eine Entspannung gegen Ende 2021 prognostiziert, doch leider ist definitiv keine Besserung in Sicht. Unser Tagesgeschäft wird nach wie vor durch Lieferverzögerungen und steigende Preise erschwert.

M.G.: Was genau wird teurer?

André Martin: Die Preissteigerungen sind nicht nur auf wenige Sparten beschränkt, sondern ziehen sich wie ein roter Faden durch sämtliche Produkte. Dass die Energiekosten geradezu durch die Decke gehen, bekommen nicht nur Unternehmer, sondern alle Verbraucher tagtäglich zu spüren. Auch die Kosten für Wasser und Abwasser kennen generell nur eine Richtung – nach oben. Besonders belastend für viele Unternehmen ist jedoch nach wie vor die Situation in der Halbleiter- und Elektronikbranche. Der Chipmangel lähmt geradezu einen Teil unserer Wirtschaftszweige, und selbstverständlich führt dieser Nachfrageüberhang zu einem Anstieg der Einkaufspreise.

M.G.: Besonders dramatisch war der Mangel an Holz; die Situation im Baugewerbe wollen wir jedoch separat behandeln. Wie ist es bei Kunststoffen und Metallen?

André Martin: Auch nicht besser. Kunststoffe, insbesondere auch Spezialprodukte verzeichnen seit Oktober 2020 einen stufenweisen Preisanstieg in der Größenordnung von fast 50 Prozent. Darüber hinaus steigen im Metallsektor nicht nur die Stahlpreise, sondern ganz besonders die Kosten für Buntmetalle.

M.G.: Worauf ist das zurückzuführen?

André Martin: Ein guter Teil dieser Entwicklung ist mit Sicherheit auf die forcierte Energiewende zurückzuführen. Diese ist nicht zum Nulltarif zu haben und hinterlässt deutliche Spuren in den Rohstoffmärkten. Nach Angaben des Deutschen Kupferinstituts benötigt allein eine moderne Windkraftanlage inklusive Netzanbindung bis zu dreißig Tonnen Kupfer. Der Kupferpreis wirkt sich daher auf Legierungen wie Messing, Rotguss und Bronze aus.

M.G.: Welche Konsequenzen zieht man als Unternehmer im produzierenden Gewerbe aus dieser Entwicklung?

André Martin: Die Strategie liegt generell in einer Verkürzung der Lieferketten und dem Aufbau eines sinnvollen Lagerbestands zur Vermeidung von Produktionsstopps. Wir haben in den vergangenen Monaten unseren Vorrat an Ausgangsstoffen und Komponenten mehr als verdoppelt. Darüber hinaus ist es in unserem inflationären Umfeld ratsam, lieber heute als morgen einzukaufen. Nachdem die Inflationsrate im Dezember 2021 bei rund 5,3 Prozent gelegen hatte ist sie auch im Januar nur unmerklich auf 4,9 Prozent gefallen. Bei diesen Zahlen muss man außerdem noch berücksichtigen, dass beim Dezemberwert noch die Absenkung der Mehrwertsteuer von Juli bis Ende 2020 einen Einfluss hatte. Mit Hilfe einer durchdachten Bevorratung und Investition in Sachwerte kann man daher den gegenwärtigen Preisanstieg einigermaßen auffangen.

M.G.: Wenn das alle tun führt dies doch wiederum zu einem Anstieg der Nachfrage und der Preise?

André Martin: Das ist richtig und auch zu beobachten, es ist sicher im globalen Geschehen auch eine Menge Spekulation mit im Spiel. Der frühe Einkauf und die Bevorratung von Ausgangsprodukten ist für einen Unternehmer jedoch nur dann schädlich, wenn irgendwann die Preise wieder sinken oder der Lagerbestand dem Verderb ausgesetzt ist. Dies ist bei unseren technischen Komponenten jedoch nicht der Fall.

M.G.: In der Wirtschaftspresse war in diesen Tagen zu lesen, dass die Auftragsbücher in der Industrie so prall gefüllt sind wie seit dreißig Jahren nicht mehr. Von dieser Seite droht also wohl keine Gefahr.

André Martin: Tatsächlich können sich viele Unternehmen in der jetzigen Situation vor Anfragen kaum retten. Sie beschränken sich daher fast automatisch auf Angebote für wenig risikobehaftete Projekte. Für die Kundenseite wird es daher auch im Zusammenspiel mit den Folgen des Fachkräftemangels zunehmend schwierig, Auftragnehmer für anspruchsvolle Investitionsvorhaben zu finden. Dies könnte sich durchaus auch bei der Verwirklichung der Planungen unserer eigenen Gemeinde bemerkbar machen.