Das neue Weingarten

Vielfältige Kritik an der massiven Bebauung am ehemaligen Tabakschopf

„Wie konntet Ihr so etwas zulassen?“, „Was habt Ihr Euch dabei gedacht?“, „Das passt doch überhaupt nicht in unser Ortsbild“ – so oder ähnlich lauten derzeit die Klagen über die bauliche Entwicklung im südlichen Teil der Ringstraße, und es sind bei weitem nicht nur Anwohner oder Betroffene, die sich dergestalt äußern, sondern Einwohner aus allen Wohnvierteln unserer Gemeinde. Tatsächlich ist die Verdichtung und Höhenentwicklung der neu errichteten Wohngebäude am ehemaligen Tabakschopf und auf dem Gelände der ehemaligen Schreinerei Sebold ein Novum. Zwar wurden in den neunziger Jahren im Baugebiet „Richtäcker“ am südlichen Ortsrand ähnlich hohe Baukörper errichtet. Dies geschah jedoch nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu über Jahrzehnte gewachsenen Quartieren, und es gelang dort noch einigermaßen, durch die Durchmischung von Reihenhäusern und mehrstöckigen Gebäuden sowie durch einen gewissen Anteil von Begleitgrün einen allzu massiven Auftritt zu begrenzen. Im Gegensatz dazu ist die bauliche Nutzung an der Ringstraße bis auf den letzten Quadratmeter optimiert, untergeordnete Baukörper reichen fast bis auf eine Armlänge an die Grundstücke der Nachbarn heran, und Anwohner, die bislang noch einen Rest an Privatsphäre in ihren Hausgärten erleben durften, sehen sich zukünftig neugierigen Blicken aus unmittelbarer Nähe und mehrgeschossiger Höhe ausgesetzt.

Behutsame Nachverdichtung oder Angriff auf die Lebensqualität der bestehenden Quartiere – diese Frage stellt sich zunehmend für die Freien Demokraten in Weingarten, die die beiden Bebauungsplanverfahren von Anfang an mit einer gesunden Portion Skepsis begleitet haben und, während andere Fraktionen lautstark vom Reiz einer zeitgemäßen Architektur und von den Vorteilen der Inanspruchnahme innerörtlicher Flächen schwärmten, die Belange der Anwohner sorgfältig gegen die Interessen der Bauträger abzuwägen versuchten. Tatsächlich stimmten die drei FDP-Gemeinderäte als einzige Fraktion geschlossen gegen den Bebauungsplan an der alten Schreinerei und – ehrlicherweise gesagt – jedoch für die Bebauung am ehemaligen Tabakschopf, was sich im Rückblick angesichts der optischen Gesamtwirkung der beiden Gebäudekomplexe möglicherweise als Fehler erweist. Die Konsequenz für die FDP-Fraktion kann daher nur lauten, im Norden Weingartens – hier stehen im Zusammenhang mit dem Bebauungsplanverfahren auf dem ehemaligen Trautwein-Gelände ähnlich gelagerte Grundsatzentscheidungen an – noch mehr als in der Vergangenheit die Auswirkungen einer übermäßig verdichteten Quartiersbebauung auf die angrenzenden Wohnviertel und auf den gesamten Ort zu berücksichtigen und angesichts der Randlage besonders auch das äußere Erscheinungsbild unserer Gemeinde in den Planungsprozess mit einzubeziehen.