Willkommen in der Wirklichkeit

„Kein Weiter so“ – unter diesem Motto stand vor einem Jahr die Rede des damaligen Präsidenten des baden-württembergischen Genossenschaftsverbandes Dr. Roman Glaser anlässlich des Neujahrsempfanges unserer Gemeinde. In deutlichen Worten analysierte der prominente Gast die Problemfelder unseres Landes: Überbürokratisierung, Ausweitung der öffentlichen Aufgaben, Fehleinschätzung der staatlichen Leistungsfähigkeit sowie Missachtung elementarer Grundsätze wie Subsidiarität, kommunaler Selbstverwaltung und Stärkung von Eigenverantwortung. Geschehen ist leider – nichts, denn wie so oft zerplatzten die guten Vorsätze schneller als ein Böller in der Silvesternacht, und kaum war der Haushaltsplan unserer Gemeinde verabschiedet hörte man auch auf, über Geld zu reden und ging wie jedes Jahr zur Tagesordnung über.

Umso mehr erstaunt es, dass Bürgermeister Bänziger anlässlich des diesjährigen Neujahrsempfangs am vergangenen Sonntag den Faden wieder aufnahm und die vor einem Jahr getroffenen Feststellungen sogar noch vertiefte. Man müsse wieder lernen, das Wesentliche und Notwendige vom Wünschenswerten zu unterscheiden, das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung wiederbeleben, eine Kurskorrektur in Richtung Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung vornehmen und darüber hinaus anerkennen, dass der Sozialstaat an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen sei. Da kann man eigentlich nur sagen: Glückwunsch, willkommen in der Wirklichkeit, willkommen bei der FDP. Seit Jahren versucht die liberale Fraktion, das Arbeitsprogramm der Gemeinde mit deren Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen, betreibt Risikoanalyse, projiziert Entwicklungen in die Zukunft, weist auf Folgekosten getroffener Entscheidungen hin und hält sich auch im Vorfeld von Kommunalwahlen diszipliniert mit Forderungen nach mehr kommunalen Leistungen zurück. Leider verhallten die warnenden Worte meist ungehört. Es bedurfte erst einer Zinswende, um die Politik des leichten Geldes zu beenden und die Einsicht wiederzubeleben, dass jede Kreditaufnahme einen Vorgriff auf die Zukunft darstellt und Schulden regelmäßig zu tilgen sowie Zinsen zu erwirtschaften sind. Die kommenden Wochen werden nun zeigen, ob den am ersten Sonntag des neuen Jahres verkündeten Worten nun Taten folgen, denn bislang gilt, frei nach Goethe: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!