Zahlenspiele

Die unter dem Titel „Fraktionen aus dem Gemeinderat“ monatlich erscheinenden Stellungnahmen sind für die Leser der Turmbergrundschau meist eher langweilige Kost. Im Regelfall werden mit großer Mehrheit im Gemeinderat gefasste Beschlüsse nochmals ausgiebig dem Publikum erklärt, der Ton ist gemäßigt und zurückhaltend und verbale Auseinandersetzungen sind die große Ausnahme. Etwas herzhafter ging es dagegen in der Ausgabe vom 08. Februar 2024 zur Sache. Das deftige Menü eröffnete die CDU-Fraktion mit einer durchaus kritischen Stellungnahme zum Vorgehen der EnBW im Zusammenhang mit der Planung von Windkraftanlagen auf dem Weingartener Heuberg, und gleich darauf lieferte der Fraktionsvorsitzende der Weingartener Bürgerbewegung Timo Martin gut gewürzte Hausmannskost unter dem saftigen Titel: „Verweigerung von Transformation und Haushaltskonsolidierung ist keine Lösung!“

„Zweifler, Zauderer, Pessimisten und Verhinderer“ haben sich zur Ablehnung eines WBB-Antrags zusammengetan, „Ideologien und Unsachlichkeit“ dominieren weiterhin das Thema Windkraft, und nicht zuletzt bedeutet „die kategorische Ablehnung des Waldes ein jährlicher Verzicht bis zu 1 Mio. €!“. So steht es wörtlich gedruckt, und man fragt sich, ob sich der Autor so sehr in Rage geschrieben hat, dass er Nominativ und Akkusativ nicht mehr unterscheiden konnte und in seiner Aufgeregtheit vergaß, dass nach den Regeln der deutschen Sprache dem Substantiv „Verzicht“ die Präposition „auf“ zu folgen hat und dass man zwar wohl auf Sachlichkeit verzichten, nicht aber Grammatik verzichten kann.

Da ist es doch höchste Zeit, die Emotionen etwas herunterzufahren und eine nüchterne Betrachtung des Sachverhalts durchzuführen. Zwischen 100.000 € und 1 Mio. € sollen sich also die jährlichen Pachteinnahmen bewegen. Treffen wir uns doch einfach in der Mitte und gehen von einer Summe in der Größenordnung von 550.000 € aus. Eine stattliche Zahl, und mit Blick auf die vor uns stehenden Aufgaben durchaus verlockend. Über eine Laufzeit von zwanzig Jahren sind das immerhin 11 Millionen Euronen, der Zinseszinseffekt ist dabei noch gar nicht eingerechnet, und schließlich können die Anlagen mit etwas Glück sogar dreißig Jahre laufen. Blasen wir ideologiegesteuerten Zweifler und Zauderer also leichtfertig knappe zwanzig Mio. Euro durch den Schornstein?

Nehmen wir also einfach mal den Taschenrechner für eine genauere Analyse zur Hand. In Weingarten lebten im Dezember 2023 nach der amtlichen Statistik 10.638 Personen. Durch die Verpachtung der gemeindeeigenen Waldflächen zur Errichtung von Windkraftanlagen hätte also jeder Einwohner einen jährlichen finanziellen Vorteil von 51 Euro und siebzig Cent, das entspricht 4,30 Euro im Monat und damit exakt dem Preis, den die örtliche Gastronomie für 0,4 Liter eines alkoholfreien Erfrischungsgetränkes verlangt. Ein Viertele Wein ist für 4,30 Euro meist außer Reichweite, und ein paar Cent Trinkgeld sollte man als höflicher Mensch ja auch noch geben. Es könnte also durchaus viele Zeitgenossen geben, denen eine unverstellte Landschaft und ein in Reichweite befindlicher Erholungsraum mehr wert ist als ein Glas Cola im Monat. Darüber hinaus sollte man nicht unüberlegt den Verlockungen der großen Zahl erliegen, denn schließlich steht den sagenhaften fast zwanzig Millionen Euro eine Vielzahl an Risiken und Nachteilen gegenüber. Diese Liste beginnt mit dem Verlust an Landschaft und Erholungswert unserer Gemarkung, setzt sich fort mit der ungeklärten Frage des Rückbaus nach der Vertragslaufzeit und dem imminenten Wertverlust von Immobilien mit Sichtverbindung zu den geplanten Anlagen, und sie ist mit der Verschlechterung unseres nachbarschaftlichen Verhältnisses zur Gemeinde Walzbachtal – Weingarten kassiert, Jöhlingen schaut zu – noch lange nicht zu Ende.

“Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“ – dieser in der aufkommenden Umweltbewegung weit verbreitete Aufkleber gelangt nach jahrelanger Pause damit zu unerwarteter Aktualität. Das Für und Wider eines „Windparks“ auf dem Heuberg – allein der Euphemismus bringt schon alle Alarmglocken zum Läuten – lässt sich nicht allein monetär betrachten. Vielleicht haben sich die Zweifler und Zauderer nicht ideologiegetrieben verbarrikadiert, sondern sind ganz einfach im Rahmen einer sorgfältigen Güterabwägung zu ihrer ablehnenden Entscheidung gelangt, und möglicherweise war ihr negatives Votum im Gegenteil sogar ein positives – für den Erhalt von Natur an einer der sensibelsten Stellen unserer Gemarkung.        

Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zur Gemeinde Walzbachtal lässt sich nur schwer in Zahlen fassen