Historisches Rathaus, modernes Verwaltungszentrum oder Schwarzes Loch?

Die letzten Monate des Jahres 2018 stellten für die Mitarbeiter des Weingartener Rathauses eine besondere Belastungsphase dar. Nachdem im September ein Wasserschaden im Kindergarten „Am alten Friedhof“ festgestellt wurde, aus dem Stand nach einer Ersatzlösung gesucht und mit viel Improvisationsvermögen die Ausnahmesituation bewältigt wurde kehrte nur für wenige Wochen Ruhe ein. Bereits kurze Zeit später schrillten erneut die Alarmglocken, und diesmal war mit dem Erdgeschoss des Rathauses nicht nur eine wichtige öffentliche Einrichtung, sondern gleich das zentrale Nervensystem unserer Gemeinde betroffen. Unter dem Estrich verlegte, in die Jahre gekommene Heizungsleitungen hatten großflächig die Decke des Kellergeschosses durchfeuchtet – ein Alptraum für jeden Hausbesitzer und ein Glücksmoment für jeden professionellen Bausanierer zugleich.

Anders als beim Kindergarten „Am alten Friedhof“ war jedoch im Rathaus nach wenigen Wochen noch kein Normalbetrieb angesagt, sondern es begann eine mehrjährige Umbau- und Sanierungsphase, die die Mitglieder des Gemeinderates auf dem Weg zu ihren montags stattfindenden Sitzungen teils interessiert und teils erstaunt mitverfolgen konnten. Parallel dazu dehnte die Verwaltung mit Zustimmung des Gemeinderats ihren Flächenbedarf auf die Räumlichkeiten im sogenannten „Lamm-Eck“ sukzessive aus, so dass nicht nur einzelne „Fachbereiche“ die tatsächlich enge Situation im historischen Rathaus hinter sich lassen konnten, sondern insgesamt ein großes Stühlerücken begann und nach wie vor andauert.

Über Geld wurde im Zusammenhang mit der „großen Transformation“ im Weingartener Rathaus niemals geredet, und kein Gemeinderat vermag auch nur ungefähr die Gesamtkosten der seit bald fünf Jahren andauernden Umbau- und Ausstattungsmaßnahmen zu beziffern. Erstaunlich ist nur, dass eine Kommune, die von der Gemeindeprüfungsanstalt zu einer Konsolidierung ihres Haushalts aufgefordert wird und für ihre Investitionen Zuschüsse aus dem „Ausgleichstock für finanzschwache Gemeinden“ beantragt, gleichzeitig besonderen Wert auf Optik, Ausstattungsqualität und Materialwahl legt und sich der Besucher unseres Verwaltungsgebäudes mitunter eher im Wohnstudio als in einer für ihre spartanische Einrichtung berüchtigten preußischen Amtsstube wähnt.

Mit ihrem Antrag, das Volumen der seit Feststellung des Wasserschadens bislang durchgeführten Maßnahmen sowie die von der Versicherung ausgezahlten Leistungen umfassend darzustellen möchte die FDP-Fraktion daher nicht nur ihrer Verantwortung für eine solide Haushaltsführung gerecht werden, sondern gleichzeitig einen Beitrag zu Transparenz und zu einem verschärften Kostenbewusstsein im Gesamtgemeinderat leisten. In der Gemeinderatssitzung vom 18. September stimmten bei einer Enthaltung aus der Fraktion der Grünen Liste Weingarten alle anwesenden Mitglieder des Gemeinderats für das Anliegen der Freien Demokraten.