In der Zwangslage

„Was machen die denn da?“ Diese Frage werden sich aufmerksame Kunden des Rewe- oder Pennymarktes in den ersten Wochen des Jahres des öfteren gestellt haben, als auf der gegenüberliegenden Straßenseite Arbeiter in schwerer Montur Rodungsarbeiten durchführten und mit Freischneidern breite Schneisen in die Vegetation der Ausläufer des Kirchbergs frästen. Tatsächlich erfolgten die Maßnahmen ohne vorherige Ankündigungen und ohne größeres Medienecho. Wer allerdings den Ausführungen der Verwaltung im Rahmen der Einwohnerversammlung am 29. Juni bis zum Schluss konzentriert folgen konnte weiß nun, dass die Gemeinde im Rahmen einer Vorwegmaßnahme des Bebauungsplangebiets „Kirchberg-Mittelweg“ die nach dem Umlegungsverfahren in ihrem Eigentum befindlichen und östlich der Durlacher Straße gelegenen Grundstücksflächen an einen oder mehrere Investoren zur Bebauung mit Reihenhausgruppen veräußern möchte. Rund zwei Mio. € außerordentliche Einnahmen sollen auf diese Weise generiert werden und das ausgewiesene negative ordentliche Ergebnis in Höhe von rund 1,2 Mio. € nicht nur kompensieren, sondern darüber hinaus für die Finanzierung weiterer anstehender Investitionen verwendet werden.

Auch wenn nach einem sich über Jahre hinziehenden Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Mannheim die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans außer Frage steht und sich damit die Gemeinde der Aufgabe einer Erschließung des gesamten Plangebietes stellen muss beobachtet die FDP-Fraktion die Vorgehensweise einer schrittweisen Verwirklichung mit zunehmender Besorgnis. Während einerseits die an der Durlacher Straße gelegenen gemeindeeigenen Grundstücke verkehrlich bereits erschlossen sind und relativ einfach an die Wasserversorgung und Kanalisation angebunden werden können mehren sich die Erkenntnisse, dass sich die privaten Bauflächen in den steilen Abschnitten des Plangebietes nur mit einem immensen technischen Aufwand erschließen lassen werden. Mithin konkretisiert sich die Gefahr, dass die Baureifmachung nach Verwirklichung des ersten Abschnitts mangels finanzieller Möglichkeiten der Gemeinde steckenbleibt und sich die Eigentümer der weiter oberhalb gelegenen Grundstücke zu Recht benachteiligt fühlen, denn schließlich hatten sie im Rahmen der Umlegung bereits hohe Kosten zu tragen beziehungsweise Flächenabzüge zu erleiden.

Zur Mitte des Jahres 2023 steckt also unsere Gemeinde zwischen zwei Szenarien regelrecht fest: Gelingt die Veräußerung der Flächen entlang der Durlacher Straße, so ist zwar der Haushalt gerettet, aber die Pflicht zur Inangriffnahme des gesamten Plangebiets kaum mehr von der Hand zu weisen. Scheitert der Verkauf, so ist der Zwang zur Erschließung möglicherweise für eine bestimmte Zeit aufgeschoben, aber die Finanzplanung für das laufende Jahr und die nähere Zukunft über den Haufen geworfen. Erschwerend kommt hinzu, dass der mittlerweile vor über 20 Jahren überarbeitete Bebauungsplan mit seiner aufgelockerter Bauweise und seinem geringen Verdichtungsgrad aus einer anderen Zeit zu stammen und bei auch heute noch steigenden Baupreisen und Finanzierungskosten kaum mehr wirtschaftlich zu verwirklichen sein scheint. Es bleibt also spannend, was die Zukunft der im Frühjahr gerodeten Flächen entlang der Durlacher Straße angeht, und die FDP-Fraktion wird das weitere Verfahren aufmerksam und zugleich kritisch begleiten.